Bergische Morgenpost, Ausgabe Wermelskirchen vom 08. Mai 2004:

Malen - wenn die Worte fehlen

Von Gundhild Tillmanns

Leben, Krebserkrankung, Todeskampf und Trauer in vielen eindringlichen Bildern verarbeitet

Schicksalsschlag - dieses Wort steht auch für Sprachlosigkeit. Unvorbereitet wie ein Schlag auf den Körper trifft das Schicksal den Menschen, lähmt und blockiert ihn, auch seine Sprache. "Malen, wenn die Worte fehlen" - das waren Therapie, Verarbeitung, Trauerarbeit und Lebenshoffnung nicht nur für den kleinen Jonas, auch für seine Mutter. Jonas ist an Krebs gestorben; aber seine Bilder sind geblieben: "Jonas ist noch jeden Tag bei uns", berichtete seine Mutter Tanja Fuchs-Hemstege gestern Abend auch der delfin-Elterngruppe in Dabringhausen.

Gemeinsam mit ihrer Mutter, der Maltherapeutin Edith Fuchs, war sie vom delfin-Gesprächskreis mit Eltern, deren Kinder an Krebs erkrankt oder bereits gestorben sind, eingeladen worden. Denn auch dieser Kreis möchte mit der Maltherapie beginnen, nachdem er festgestellt hat, dass Trauer und Anspannung die Eltern oft blockiert, vieles Unausgesprochene und Unverarbeitete aber vielleicht doch im Malen sein Ventil finden können.

Die beiden Frauen aus Duisburg haben ihre ganz persönliche Erfahrung mit dem krebskranken Jonas und der Wirkung des Malens auch bereits vor einem Hospizverein und in zwei Vorträgen in der Düsseldorfer Kinderklinik wiedergegeben. Auch in Dabringhausen ermunterten sie die Eltern zu dieser für sie vielleicht neuen und bisher ungewohnten Ausdrucksform.

Tanja Fuchs-Hemstege erzählte von ihrem Sohn, der zweieinhalb Jahre gegen den Krebs angekämpft hatte. Ein schwerer Hirntumor mit einer Blutung kosteten den Jungen das Sprechvermögen. Er war halbseitig gelähmt, schon nahe am Tode. Aber wie durch ein Wunder erholte sich das Kind, erlitt jedoch wenige Monate später einen Rückfall, von dem er nicht wieder genesen sollte. Jonas starb im Alter von zwölf Jahren.

Anerkennung und Ausdruck

"Ich bin jetzt nicht mehr Schüler, ich bin Künstler", hatte Jonas seinen Eltern noch stolz begreiflich machen können. Denn, als er wegen seiner Chemotherapie die Schule nicht mehr besuchen durfte, da fand er neue Anerkennung im Malen und durfte seine Bilder sogar mit einer richtigen Vernissage in seiner alten Schule ausstellen. "Jonas hat wunderschöne hoffnungsvolle und immer ganz leuchtend-bunte Bilder gemalt", berichtete seine Mutter. Und kurz vor seinem Tode habe er die Welt wie durch einen Rahmen betrachtet, einmal sogar ein Bild gemalt, auf dem eine richtige Himmelstreppe zu sehen war.

Und Tanja Fuchs-Hemstege hatte im Malen nach dem Tode ihres Kindes eine Ausdrucksform für ihre Trauer gefunden: Sie malte Wellen, die über ihr zusammen schlagen; eine Schlange, die sich häutet; einen großen, grünen Sumpfstrudel, der sie zu verschlucken droht... Und heute kann sie wieder über alles sprechen - auch über den Tod ihres Kindes.